Deckenfresko von Johann Baptist Enderle in der Wallfahrtskirche Buggenhofen: Die Herrscher der 4 damals bekannten Erdteile sind gekommen um Maria bei ihrer Himmelfahrt zu huldigen.

Buggenhofen

Von Nordschwaben kennen wir alle den kreisrunden Rieskessel mit seiner zentral gelegenen, noch heute mauerbewehrten Hauptstadt Nördlingen und die weite Landschaft des davon südlich gelegenen, schwäbischen Donautals mit seinen stattlichen und ehemals reichen, einer Perlenkette gleich, entlang der Donau aufgereihten Städten, Günzburg, Gundelfingen, Lauingen, Dillingen,Höchstädt und Donauwörth. Die Landschaft dazwischen, mit ihrem stetigen Anstieg aus der Donauebene, ihren kargen, südseitig im Sommer ausgedorrten Jurahängen – dünn besiedelt, da einem rauen, winterschweren Klima ausgeliefert – kennen nur wenige.
Vielleicht noch im Westen das Härtsfeld mit seinem Zentrum Neresheim, dessen Kloster einen der faszinierendsten Kirchenbauten Süddeutschlands hervorgebracht hat. Der Osten, der vor allem aus dem Tal der Kessel und ihren Nebenbächen besteht, ist weitgehend unbekannt. Freunde der Mundart von Bayerisch-Schwaben haben vielleicht schon einmal von Zoltingen, einem Dorf von etwa 100 Einwohnern, einge Kilometer westlich von Bissingen gehört, da dort der bekannteste Mundartdichter Nordschwabens, Michel Eberhardt, geboren ist und sein Leben lang dort gewirkt hat.

Blick übers Kesseltal nach Bissingen mit dem Schloss und der hoch aufragenden Kirche

Zu unspektakulär die Landschaft, zu unbedeutend die Orte und kleinen Weiler, die sich um ihren Haupt- und ehemaligen Herrschaftsort, die Marktgemeinde Bissingen scharen. Die Herrschaft besaßen meist die Grafen von Öttingen, mitunter jedoch war sie auch in anderen Händen, so kam sie 1455 durch Kauf an die Schenken von Schenkenstein.

Buggenhofen und seine Wallfahrtskirche, etwa 2 km nordöstlich von Bissingen gelegen

Folgen wir von Bissingen 3 km der Kessel nach Osten und und dann noch gut einen Kilometer dem nördlich einmündenden Tal des Hahnenbachs, so sind wir in Buggenhofen, einem kleinen, schon im 12. Jahrhundert erstmals erwähnten Weiler von etwa 15 Häusern und ca. 30 Bewohnern. Unspektakulär wie die ganze Gegend, nur eine stattlich hübsche Dorfkirche bindet unsern Blick.

Sowohl die Wallfahrtskirche (rechts), als auch das kleine Rieser Bauernhaus nehmen die Buggenhofer Ortsstraße in Beschlag

Sie steht inmitten des Ortes an der Dorfstraße, in die sie sich energisch vorstreckt und mit dem direkt gegenüber liegenden kleinen Bauernhaus, das der Kirche nicht nachstehen will, eine hinderliche Engstelle darstellt.
Nach Osten ein eingezogener gotischer Chor mit großen hohen Fenstern, die viel Licht versprechen, der Hauptraum beidseits durch vorkragende Verbreiterungen mit Schleppdächern erweitert. Alles unter einem schönen stattlichen Turm, auf dessen quadratischem festen Unterbau ein zweistöckiger oktogonaler Aufbau aufragt, gekrönt von einem wohlgeformt profilierten Zwiebeldach. Es ist die katholische Wallfahrtskirche Jungfrau Maria.

Frontispiz des 1753 erstmals erschienenen und 1771 neu aufgelegten Mirakelbuchs mit den Abbildungen der Kirche und des Gnadenbild

Die Kirche verdankt ihren Bau einer Begebenheit des Jahres 1471. Buggenhofer Bauern fanden bei Rodungsarbeiten eine geschnitzte Marienfigur, die alsbald wundertätige Wirkung zeigte und damit eine rasch aufstrebende und bis heute anhaltende Wallfahrt begründete. Die damit verbundenen Einnahmen ermöglichten als Ersatz für eine erste hölzerne Kirche, schon 1771 den Beginn des Baus einer ersten Wallfahrtskirche. Der Zustrom der Pilger hielt weiter an und in den 1480er Jahren konnte sogar ein päpstlicher Ablass für Buggenhofer Wallfahrer erwirkt werden. Beeinträchtigt wurde die Wallfahrt erstmals im 30 jährigen Krieg durch zweimalige Verwüstung der Kirchenausstattung durch schwedische Truppen. Diese konnte doch schon ab 1659 neu angefertigt werden.

Titelblatt der 2. Auflage des Mirakelbuchs von 1771. Der Autor ist nicht namentlich genannt. Es handelt sich um den Mönchsdegginger Pater Bernhard Zimmermann.

Neun Jahre später führte Georg Danner, ein aus Falkenstein in Bayern stammender Baumeister, der sich in Unterbissingen niedergelassen hatte und im Lauf seines Lebens viele Kirchen der Gegend erneuerte, eine grundlegende bauliche Neugestaltung der Buggenhofer Kirche durch. Größte Einzelmaßnahme war, neben der Erneuerung der Gewölbe, die Erweiterung des Hauptraums durch seitliche Anbauten, die prächtige Beichtstühle erhielten. 1702/1703 wurde der Turm erneuert und durch einen doppelstöckigen Oktogonalaufbau erhöht.

Die kleine Rokokoorgel, zarter Stuck mit Stalaktiten, Muschelwerk und vergoldeten Blütenranken an der Decke über der Empore und die Szenen aus dem Marienleben auf dem Bildschmuck an der Emporenbrüstung von Johann Baptist Enderle aus Donauwörth zeigen die Neuausgestaltung der Jahre 1769-1771 beispielhaft auf.

Die für den heutigen Betrachter augenscheinlich wichtigsten Veränderungen erhielt die Kirche durch eine völlige Neugestaltung des Innenraums in Vorbereitung der 300-Jahrfeier des Wallfahrt 1771. Dabei wurde ein schwungvoll leichter Stuck im Stil des untergehenden Rokokos vom Neresheimer Laurentin Hieber aufgebracht. Geschweifte Profilrahmen begrenzen zahlreiche Kartuschen und die großen Deckengemälde der von Johann Baptist Enderle ausgeführten Ausmalung des gesamten Kirchenraums. Enderle, 1725 in Söflingen bei Ulm geboren, kam nach seiner Ausbildung bei seinem Onkel Anton Enderle in Günzburg, 1755 durch die Heirat der Witwe des Malers Johann Benedikt Reismiller nach Donauwörth. Bis zu seinem Tod 1798 führte er dessen Werkstatt fort und schuf in ganz Süd- und Südwestdeutschland ein umfangreiches Werk, in dessen Mittelpunkt Bilder der Heiligen Familie, insbesondere der Gottesmutter Maria.

Das große zentrale Deckengemälde im Hauptschiff von Johann Baptist Enderle stellt die Himmelfahrt Mariens dar. Recht unterhalb der huldigenden Erdteilherrscher ist es von Enderle signiert.
Ausschnitt aus obigem Gemälde mit der Signatur Enderles.
Die zwei Emporenbrüstungen mit den Fresken Enderles.

Der prächtige Hauptaltar (1725-27)geschreinert von Franz Henle aus Utzmemmingen, im Aufbau tragen sechs hohe Säulen ein mehrfach verkröpftes Gebälk. Den Anblistanden.ck prägen vier lebensgroße Heiligenfiguren (v.l. Katharina, Karl Borromäus, Antonius von Padua und Hl. Barbara) in Goldfassung der gesamten Gewänder. In der Mitte zwischen ihnen, oberhalb des Tabernakels in einer Nische das Gnadenbild der thronenden Muttergottes aus dem 14. Jahrhundert, allerdings in einer Kopie aus dem 17. Jahrhundert.

Blick zum Hauptaltar
Der Mittelteil des Hauptaltars. In der Mitte über dem Tabernakel die Kopie des Gnadenbildes umgeben von der (v.li.) Hl. Katharina, Karl Borromäus, Antonius von Padua und der Hl. Barbara

Rechts, an der Ecke zur südlichen Erweiterung des Hauptraums, die in schöner Holzarbeit, ebenfalls des Franz Henle, weit vorkragende Kanzel (1729). In den Feldern des unregelmäßig polygonalen Kanzelkorbs, in kleinen Nischen, vergoldete Figuren der vier Evangelisten, ebenfalls wie die Figuren des Hauptaltars von Georg Bschorer aus Oberdorf. Auch die fünf mit Intarsien geschmückten Beichtstühle mit bekrönenden Holzfiguren wohl von Franz Henle.

 

 

 

Verglastes Wandkästchen mit antiken Wallfahrtsdevotionalien, insbesondere historischen Rosenkränzen
Kanzel von Franz Henle aus Utzmemmingen mit den goldgefassten Figuren der vier Evangelisten

An der nördlichen Außenwand zwischen den Beichtstühlen und an den Außenwänden des Chors, geordnet in mehreren Feldern, insgesamt 191, meist in Öl auf Holz gemalte Votivbilder, überwiegend des 18. und 19. Jahrhunderts.

Die linke Kirchenseite mit den ausgestellten Votivbildern

Dass die Wallfahrt auch heute noch lebendig ist und dass auch 2024 noch junge Leute über weite Strecken zu Fuß nach Buggenhofen pilgern zeigt der Bericht der Kolpingfamilie aus Wemding, der unter folgendem Link einzusehen ist:

https://kolping-wemding.de/2024/07/fusswallfahrt-nach-buggenhofen-beten-fuer-frieden-und-gerechtigkeit/