Das Gebiet um Günzburg, Ichenhausen und Krumbach, heute tourismuszielgerecht zum bayerisch-schwäbischen Krippenparadies ernannt, ist eine Region in der von alters her Krippen eine Heimat haben. Man darf vermuten, dass die von der vorderösterreichischen Verwaltung in der Residenzstadt Günzburg, nach Bevölkerungsverlusten durch Krankheiten und Kriegsfolgen, unterstützte Zuwanderung aus anderen habsburgischen Herrschaftsgebieten, insbesondere aus Tirol, mit beigetragen hat die Krippenbegeisterung auch in Schwaben zu verbreiten.

Tief verwurzelt in der Bevölkerung, die vor allem die Krippenbauer stellt, wird die Tradition und Krippenkunst hauptsächlich getragen von leistungsfähigen Laienschnitzern. Hauptberuflich geführte Schnitzwerkstätten waren immer selten und arbeiteten in erster Linie für den kirchlichen Bedarf. Das schlecht bezahlte Schnitzen von Krippenfiguren war allenfalls ein wenig geschätztes Zubrot. Eine Ausnahme war die Günzburger Werkstatt des Josef Brenner (1881-1952), in der auch Krippenfiguren geschnitzt wurden. Seine in der Zwischenkriegszeit ausgebildeten Lehrlinge konnten unter den sich rasch änderten wirtschaftlichen Verhältnissen von ihrer Schnitzarbeit nicht leben und wanderten in andere Betäigungen ab,  schnitzen jedoch nebenberuflich für die lokale Nachfrage an Krippenfiguren, so u.a. Josef Startek (* Oxenbronn 1915 – † Pfaffenhofen/Roth 2010)  und Josef  Thalhofer aus Krumbach. Beispiele von beiden und ihrem Lehrherrn Josef Brenner zeigt derzeit (2023/24) das jährliche Krippenschauen im Heimatmuseum Krumbach.  Der einzige aus der Schar seiner Lehrbuben, der den Aufbau einer erfolgreichen Werkstatt schaffte, war der 1908 in Ettenbeuren geborene Ludwig Vogele (siehe eigene Seite ). Aus den von ihm geleiteten Schnitzkursen, veranstaltet vom Krippenverein Ichenhausen, gingen zahlreiche Laienschnitzer hervor. Auch Sepp war einer seiner Schüler.

Ludwig  Vogele 

1908 – 2000

Zwei der Vogele-Schüler des legendären Schnitzkurses des Winters 1982/83 in der alten Schule in Waldstetten

Wie ich Krippenschnitzer wurde

Als ich 1981 in Krumbach meine erste Stelle antrat, hatte ich mir fest vorgenommen diese Gelegenheit zu nutzen, um  bei einem der Laienschnitzer der Gegend geschnitzte Figuren für eine Weihnachtskrippe zu kaufen. Doch die Verwirklichung erwies sich viel schwieriger als gedacht. Zwar gab es die eine oder andere Ambulanzbegegnung mit Schnitzern, bzw. ihren Finger-/Handschnittwunden, aber keinen von ihnen konnte ich für meinen Wunsch erwärmen. 1982 wechselte ich die Abteilung und ab Oktober 1982 wurde ich einer kleinen Außenstelle in Ichenhausen eingesetzt. Gleich in den ersten Tagen kam kam mein Chef in Begleitung eines älteren Herrn in unser Arbeitszimmer und stellte ihn als Fritz Völkel, den Vorstand des örtlichen Krippenvereins vor, dessen Angelegenheit er uns zur Bearbeitung anvertraute. Mein Kollege, der ebenso wie ich auf der Suche nach Krippenfiguren war, und ich , wir waren sofort wie elektrisiert, denn damit taten sich in unseren Vorstellungen die hervorragendsten Möglichkeiten für uns auf. Bald drehte sich das ganze Gespräch nur noch um Figuren, Schnitzer und Krippen. Doch so schnell wie sie aufgetan platzten unsere Träume auch wieder. „Ja natürlich hand mir a ganza Roih Schnitzer im Verein, aber Figura kriagsch fascht von koim, wenn da net scho a Kripp von eahne hasch. Dia send mit ihre alte Konda mehr als ausglaschtat. Aber oi Möglichkeit fällt mr doa no fir ui ei, next Woch fängt dr nuie Schnitzkurs an ond doa send no genau zwoi Plätz frei worra, weil zwoi krank worra send“. Keine Frage, dass ich ohne jedes Überlegen sofort zugesagt habe, mein Kollege nach einigem Zögern auch.

Eine Woche später stieg ich allein, denn mein Kollege hatte es sich das Krippenschnitzen doch nicht zugetraut, die Treppe zum Arbeitsraum im alten Schulhaus von Waldstetten hoch, etwas spät, da die Fahrt durch den Stoffenrieder Forst auf einem schmalen, geschotterten Ortsverbindungssträßchen viel länger gedauert hatte als vorgesehen.

Etwas unsicher, ob ich diesen Weg zu einer eigenen Krippe zu einem erfolgreichen Abschluss werde bringen können, öffnete ich die Tür. Alle waren schon da und arbeiteten eifrig, mitten unter ihnen stand ein älterer Mann in weißem Arbeitsmantel, mit einer grauen Filzkappe auf dem Kopf unter dessen Rand eine schlohweise, unbändigbare Haarpracht hervorquoll. Er sah mich kritisch an und sagte: „Was no oiner“ und dann prasselte eine selten gehörte Jammertirade auf mich ein. „Ja wia soll denn dees gau, doa kaasch doch koin Kurs macha mit soviel Leit. Ja dr Völkel denkt bloß an sei Kursgebühr ond i muaß dann d Arbat macha. “ Nachdem ich seine Frage ob ich schon einmal geschnitzt hätte, nicht mit einem klaren Ja beantworten konnte,  brach seine Verzweiflung und Missbilligung nochmal verstärkt über mich herein, dass ich ganz vorsichtig anbot die Teilnahme auf das nächste Jahr zu verschieben. „Nix dau, etzat bisch scho dau. Kommt her, sitzt doa hend na. Geabat eahm a Brettle, dass r net da Tisch vrschneit. Doahanna hau i a Schachtl nagschtell, doa suachsch dr a Messr aus ond doa diib send vorgsägte Hölzla zom Schnitza. Dei Nauchbaur zoigt dr was da doa sollsch“.

Dieser vierzig Jahre alte Zeitungsausschnitt zeigt Ludwig, unseren Schnitzlehrer wie er war und für uns immer in Erinnerung bleiben wird und ganz nebenbei kann man auch noch etwas über Sepp erfahren.

Erleichtert und froh die strenge Eingangskontrolle doch noch geschafft zu haben, nahm ich möglichst schnell ein Messer, ein paar Hölzer, ein Unterlegebrett und setzte mich auf den angewiesenen Platz und fing ziemlich enttäuscht an einen Unterschenkel mit Fuß zu schnitzen. Ich wollte ja eigentlich lernen ganze Figuren zu schnitzen. Ziel dieses Anfängerkurses waren jedoch etwa 25 cm große Figuren aus einem Drahtgestell, dem geschnitzte Unterarme mit Hand, Unterschenkel  mit Fuß und ein Kopf aufgesteckt wurden. Das Ganze sollte dann mit Stoff bekleidet werden.

Kleine Ausstellung der Kursarbeiten in der Raiba Krumbach.

Besser als nichts und das wird schon noch werden, dachte ich mir. Das vorgesehene Arbeitstempo ließ genügend Zeit,  das Verhältnis zu den anderen Kursteilnehmern entwickelte sich kameradschaftlich und nachdem ich schon alles fertig hatte, begann ich am letzten Tag des Kurses meine erste richtige Figur zu schnitzen, einen sitzenden Hirten, ein Schaf fütternd. Der Kurs endete damit doch noch erfolgreich, die Tür zum Krippenschnitzen war damit offen und stolz stellte die ganze Mannschaft vor Weihnachten ihre Ergebnisse in der Raiffeisenbank in Krumbach aus. Im Januar trafen sich fast alle Teilnehmer wieder in Waldstetten zu einem Fortsetzungskurs in dem richtige Figuren geschnitzt wurden und alle haben es, mit mehr oder weniger Schnitzhilfe durch Ludwig Vogele, geschafft eine Figurengrundausstattung für ihre Krippe zu schnitzen.  Nach weiteren Schnitzabenden bei den Hoigata des Krippenvereins im Vereinslokal Roßkammhaus in Ichenhausen und so mancher Heimarbeit in Eigenregie haben viele der Kursteilnehmer im Herbst 1983 an einer sehr schönen und erfogreichen Krippenausstellung des Vereins im Roßkammhaus mit ihren selbst geschnitzten Krippen teilgenommen.

Eine neue Schnitzermannschaft hatte mit Hilfe von Ludwig Vogele ihren Weg zur Verbreitung der Krippenkunst angetreten, viele von ihnen waren recht erfolgreich, so manche Krippe ist aus ihren Händen neu entstanden und einige jüngere Krippenbegeisterte haben es mit ihrer Hilfe geschafft ihrem Beispiel zu folgen. In ihren Arbeiten lebt die Tradition des schwäbischen Krippenparadieses fort und die Formen , Typen und Charaktere der Figuren Ludwig Vogeles leben vielfältig in den neuen Krippen weiter.

Vorwort des Vorstands des Kirippenvereins Ichenhausen Fritz Völkel und das alphabetische Verzeichnis der Aussteller der Ichenhauser Krippenausstellung des Jahres 1983. 14 davon waren Teilnehmer des Schnitzkurses 1982/83 im alten Schulhaus von Waldstetten.
Ausstellerverzeichnis der Krippenausstellung 1988 in der Omnibushalle der Firma Probst. in Ichenhausen. Auch darunter viele Teilnehmer des Waldstettener Schnitzkurses.