Dr wilde Wei
I be und mecht nix anders sei
aufgwachsa wia dr wilde Wei,
d´Úmgebung, dia war eher stoinig,
zu allem war i all alloinig!
Als Kend, mitsamt dr Wuuz ausgrissa
ond oifach ibern Zau nom gschmissa
warad au alle Trieb abrocha
be eigwachsa ond weiterkrocha!
I brauch, des isch scho so mei Art,
kaum Pflege ond be winterhart,
dankbar fir a weng Sonnaschei
bin i im Sommer obadrei!
Als wilder Wei kasch kaum verderba
und kummt´s dann doch amol zum Schterba,
dann wachs i ond dau schwer i drauf
am oigna Grabstoi wieder nauf! ___________________________________________
In diesem einfachen, von tiefer Anspruchslosigkeit ans Leben und vom unerschütterlichen Glauben an die Überwindung des schicksalhaften Leids durch das Lebendige geprägt, beeindruckt uns Anni Galler durch ihren allem widerstehenden Lebensmut.
Anni Galler wurde am 4. September 1934 als Anna Maria Klement im Egerland geboren. Ihr Geburtsort Schönthal, heute tschechisch Krásné Údolí, lag zwischen Karlsbad und Tepl. Ihr Geburtshaus mit der Nummer 26, ehemals der Bauernhof ihrer Eltern Josef und Anna Klement, steht noch heute fast unverändert am Marktplatz der ehemals kleinsten Stadt des Egerlandes. Nur die breite Europastraße 49 durchschneidet heute den Ort und stört die Idylle erheblich.
Obwohl Schönthal ziemlich genau in der geografischen Mitte des historischen Egerlandes lag, zeigt die Siedlungsstruktur der Dörfer, so im Schönthaler Ortsteil Döllnitz, heute Odolenovice, aus dem Anni Gallers Mutter stammte, die für eine slawische, d.h. böhmische Besiedlung typische Rundlingsform der Dörfer.
Deutsche und Tschechen lebten hier über weite Bereiche eng beieinander und über viele Jahrhunderte in gutem Einvernehmen zusammen. Erst die nationalen Bestrebungen der späten Jahrzehnte der Habsburger Monarchie erzeugten Spannungen, die nach 1918 die deutschsprachigen Bewohner, während der Naziregierung, insbesondere nach 1938 die tschechische Bevölkerung unter erheblichen Druck setzten. Dies alles entlud sich nach dem Zweiten Weltkrieg in einer zuvor unvorstellbaren Vertreibungswelle in den Sudetenländern, die 1946 fast die gesamte deutschsprachige Bevölkerung des Egerlandes zum Verlassen ihrer Heimat zwang.
Auch die Bauernfamilie Klement mit ihrer Tochter Anna Maria wurde nach Bayern vertrieben und kam über ein Zwischenlager in Augsburg ins westliche Bayerisch-Schwaben und konnte sich in Kellmünz an der Iller, entstanden aus dem ehemaligen Römerlager Caelius Mons, neu ansiedeln. Anni, die 1946 12 Jahre alt war, hat die Vertreibung bewusst erlebt, konnte als Kind die politischen Hintergründe aber nicht verstehen und damit auch nicht akzeptieren. Sie hat an diesem Unrecht ihr Leben lang zu tragen gehabt. Glücklicherweise blieb der größte Teil der Familie auch bei der Vertreibung beieinander und konnte den schwierigen Neustart gemeinsam bewältigen. Alle kamen, nach einer kurzen Übergangszeit im Bräuhaussaal in Kellmünz, zusammen bei einer Lehrerfamilie unter. Als sich 1951 die Möglichkeit auftat von der Gemeinde einen Bauplatz zu kaufen griffen sie kurz entschlossen zu und konnten nach mühsamer Arbeit schon im nächsten Jahr gemeinsam einziehen.
Die unruhige und unsichere frühe Nachkriegszeit zu überstehen war schwer, doch mit neuer Hoffnung ging es bald zaghaft hin zum Besseren. Anni machte in der Altenstadter Nähschule eine Ausbildung und arbeitete anschließend in der Näherei Rössler, die in Babenhausen eine neue Produktionstätte errichtet hatte. Als diese in den ersten ökonomischen Krisenzeiten der Nachkriegszeit ihre Produktion nach Irland und Belgien verlegte, fand sie eine neue Stelle bei der Arzneimittelfabrik Mack in Illertissen.
1958 hat sie geheiratet, eine Tochter und ein Sohn wurden geboren, die Familie zog näher zur Arbeit in die Kreisstadt Illertissen, dort konnte sogar ein Reihenhaus gekauft werden.Durch Zusammenhalt und Sparsamkeit wurde bescheidener Wohlstand aufgebaut werden,, doch eines fehlte immer – die Heimat. Anni suchte die alte Heimat beim Vertriebenenverband der Egerländer, aber auch eine neue Heimat dort wo sie sesshaft geworden war, in Schwaben. Da sie schon lange im Freundes- und Kollegenkreis kleine Gedichte für verschiedenste Anlässe schrieb und vortrug, schloss sie sich Ende der 1970er Jahre der neu geründeten Matzenhofer Schwabengilde an. Sie beschreibt die Situation in einem 1979 entstandenen Gedicht selbst.
Dreiviertl-Schwäbe
Ma sagt vo mir, oin Fehler häbe,
i sei bloß a dreiviertl – Schwäbe!
Dr Rescht, des isch ja au koi Schand
vo mir, stammt aus em Egerland!
Ii be im Haus vom Rektor Miller
aufgwagsa, z Kellmünz an dr Iller.
Der war in Weiler, guat und geara
zwanzig Jauhr, als Dorfschuallehrer!
Hant dia do dussa ebbes gfeschtlat,
hot dear d Versla selber beschtlat.
Des hat mir fürchtig imponiert,
dann hau is selber au probiert!
Dau bin i so, wia jeda Frau,
wenn dia was will, dann kaa ses au!
Inzwischa hau i scho viel Freid
mit meine Versla gmacht de Leit!
Wia i dann in dr Zeitong lies,
daß z Matzhofa Wallfahrt isch,
hau i dacht, dau gasch etz na,
dia Dichtr schausch dr amaul aa!
Dia Gilde hat mir glei guat gfalla.
Beitrag muasch ganz wenig zahla,
bei denne Leit, dau gasch itt fehl,
dau wersch etz Mitglied, auf dr Stell!
Seid dett, bi i in deam Verei
und schreib all wiedr, zwischanei
schwäbisch, so guat is eaba ka.
Leicht isch des itt, mei liabr Maa!
Moischtens trag i, mit Humor
meine Sacha selber vor.
Bloß oima wer au i ganz leis,
bei meim Chef, des isch a Preis!
Ihre schlagfertig und pointiert formulierten Gedichte trägt sie erfolgreich bei den Poetenwallfahrten in Matzenhofen vor und der erste Gildemeister Heinrich Finkele lässt sie auch im Gildebrief 1983 veröffentlichen. Auch in den Anthologien des Vereins werden sie immer wieder gedruckt. Leider wurden ihre Gedichte nie gesammelt in einem eigenen Buch veröffentlicht, weshalb sie heute nur schwer zugänglich sind. Ich füge deshalb am Ende der Seite noch einige Gedichte an, die mir Peter Semmlin, der ihren Nachlass betreut, dazu überlassen hat.
2009 wurde Anni, die in Illertissen mit ihrem Fahrrad unterwegs war, von einem Lastkraftwagen erfasst und schwer verletzt. Wenige Tage später ist sie im Illertissener Krankenhaus an den Folgen ihrer Verletzungen gestorben.
Für die Hilfe bei der Erstellung dieser Seite, insbesondere die Informationen zum Leben und die Überlassung der privaten Fotos, bedanke ich mich sehr herzlich bei Annis Tochter Renate Hartmann und bei Annis Schwester Frau Klement. Die Aufnahmen aus den Veranstaltungen der Schwabengilde verdanke ich Erich Rueß, für dessen mühevolle Vorarbeiten ich mich ebenfalls sehr herzlich bedanke.
Es folgt eine kleine Auswahl von Gedichten Anni Gallers
Aus dem Gildebrief 1983 der Matzenhofer Schwabengilde
Energie-spara!
Wenn ii dir
a weng
eihoiza tät
ond du
kenntesch di a weng
für mi erwärma,
briicht bloß
no oiner
von uns zwoi
Heizöl tanka.
Anni Galler 1983
Funkschtille
Du hasch aa Telefon
i hau en Aparat
dr Anschluß isch in Ordnung
Gebühra aabuacht
d´Leitung isch frei
d´Nommer bekannt.
Nur wähla tuat koiner.
Jeder isch eigschnappt.
Ma sotts itt moina,
daß trotz aller Technik
d´´Verbindung itt klappt!