Kunst im 19. Jahrhundert - Neue Techniken und eine künstlerische Welt im Umbruch

Graphiksammler lieben großformatige, möglichst naturgetreue und detailreiche Ansichten. Alte originale Einzelanfertigungen sind in der Regel nur für wenige erschwinglich, frühe Reproduktionstechniken ergeben oft nur vereinfachte Umrissdarstellungen in meist kleinen Formaten. Eine grundlegende Veränderung gibt es erst um das Jahr 1800 mit der Erfindung neuer Techniken, wie dem von Senefelder entwickelten Steindruck. Erstmals sind jetzt naturalistische, detailgetreue Ansichten in preisgünstiger Technik realisierbar und finden weite Verbreitung, denken wir nur an die bei Adolf Kunike erschienenen wunderbaren Donauansichten von Jakob Alt. Es gibt aber auch andere Weiterentwicklungen graphischer Techniken. Bilder entstehen aus Form und Farbe, insbesondere die Erstellung der Form ist zeitaufwendig und erfordert fundierte malerische Ausbildung. Denken wir nur an die Aufnahme einer detailgenauen Ansicht einer größeren Stadt mit kleinräumiger Umgebung. Die Kolorierung dagegen kann durchaus schematisiert und kostengünstig durch speziell angelernte Gehilfen erfolgen.

Nach solcher Technik arbeitete der aus Straßburg zugewanderte Johann Hans kurz nach 1800 in Ulm. Er fertigte fein linierte Umrissradierungen, die er vor dem Verkauf zart kolorierte.       Hoher Bedarf an schnell und einfach herstellbaren Ansichten bestand schon im 18. Jahrhundert in der Schweiz, angetrieben durch den stetig anwachsenden Tourismus. Unter vielem anderen war es Albrecht von Hallers 1728 durchgeführte Wanderreise im Berner Oberland – deren Eindrücke er in seinem berühmten Gedicht „Die Alpen“ verarbeitete –  die diese touristische Begeisterung anstieß.                                    

Albrecht von Hallers Versuch Schweizerischer Gedichte, darin das Gedicht "Die Alpen" 3. Aufl. Danzig 1743. Rechts die ersten fünf Strophen von insgesamt 49
Jakob Eggli: Schloss und Stadt Illertissen. Gouache über einer lithografierten Vorlage um 1850
Schloss Wyden bei Ossingen, Gouache von Jakob Egglii, aus der Sammlung der Zentralbibliothek Zürich

Egglis Herkunft, Ausbildung und Tätigkeit als selbständiger Maler

Dr. Uwe Degreif bei seinem informativen Vortrag zur Eröffnung der Eggli-Ausstellung im Museum im Kornhaus der Stadt Bad Waldsee am 6.8.2023
Das Kornhaus in Bad Waldsee mit dem historischen Stadtbrunnen und den schönen Fachwerkhäusern am Tag der Ausstellungseröffnung.
Bad Waldsee und seine Umgebung auf einer Kupferstichkarte von Tobias Konrad Lotter in Augsburg

Für diesen Markt produzierte auch der als Porzellanmaler ausgebildete Johann Heinrich Bleuler im Schaffhauser Umland, zeitweise auch in Schloss Laufen hoch über dem Rheinfall. Die von ihm betriebene Malschule wurde später von seinem gleichnamigen Sohn und seinem Schwiegersohn Heinrich Uster fortgeführt. Einer seiner Schüler war der aus Dachsen bei Schaffhaus stammende Jakob Eggli, dessen direkte Vorfahren sich in dieser Gegend seit etwa 500 Jahren nachweisen lassen, zumindest bis zu dem um 1528 in Uhwiesen geborenen Hans Eggli (siehe untenstehende Ahnen-/Nachfahrentafel der Familie Eggli). Eggli arbeitet später selbständig als Maler und Kunstverleger und kauft dazu 1836 das kleine Schloss Wyden, etwa 10 Kilometer südöstlich von Schaffhausen. Er kommt aber schon bald in finanzielle Schwierigkeiten und kann den Schlossbesitz nicht halten. Das Schloss bleibt jedoch weiterhin im Besitz von verschiedenen Mitgliedern der Familie Eggli. Nächste Eigentümerin wird Egglis Ehefrau, nach deren Konkurs kommt es 1863 für einige Monate in die Hände eines Ossinger Gemeinderates, von ihm übernimmt es eine Konstanzer Bürgerin. Da sie, ebenso wie Jakob Egglis Frau Maria, eine geborene Degen ist, darf man wohl vermuten, dass sie ebenfalls eine Verwandte ist, besonders auch deshalb, weil ab 1865 Bernhard Eggli, ein Bruder Jakobs, Eigentümer wird. Jakob lebt wohl die ganze Zeit auf Schloss Wyden und kommt erst 1871 ins Pflegeheim in Rheinau, wo er am 9. Dezember 1880 auch stirbt.

Egglis Gouache zeigt das Benediktinerkloster Rheinau wohl noch vor seiner Auflösung, die im Jahr 1862 erfolgte.!871 kam er hier in die 1867 eingerichtete Heil- und Pflegeanstalt, in der er 9 Jahre später auch starb. Im Alter hat er nur noch wenig künstlerisch gewirkt, aber selbst aus seiner Rheinauer Zeit sind noch Bilder von seiner Hand bekannt.
Flyer Museum Ehingen
Flyer Museum im Kornhaus Bad Waldsee und Museum Ehingen
Flyer Museum im Kornhaus Bad Waldsee

Egglis Werk, sein Wirkungsbereich, Eigenarten und seine Technik

Jochen Hesse, der Leiter der Graphischen Sammlung der Zentralbibliothek Zürich, hat in Zusammenarbeit mit Uwe Degreif aus Biberach etwa 260 Ansichten Egglis, teils in mehreren Exemplaren nachgewiesen. Ganz überwiegend handelt es sich um Schweizer Ansichten, am häufigsten aus seiner Schaffhauser Heimat und der Region um Winterthur und Zürich, vereinzelt aber auch aus der Innerschweiz. Ein wichtiger Absatzmarkt Egglis waren auch Baden und das südliche Schwaben bis hinauf nach Sigmaringen und Ulm. Nach den vereinzelten Datierungen der schwäbischen Ansichten lässt sich herleiten, dass er in der Zeit von etwa 1845 bis in die Mitte der 1850er Jahre hinein, dort auf Wanderschaft war, um diesen Absatzmarkt zu erschließen. Diese Blätter aus schwäbischen Schlössern, Museen und von privaten Sammlern, haben 2023 zur bislang ersten großen Einzelausstellung Egglis in den Museen Bad Waldsee und Ehingen geführt, unglaubliche 123 Jahre nach seinem Tod. Zuvor hatte es lediglich 1963 auf Schloss Laufen über dem Schaffhauser Rheinfall, dem ehemaligen Sitz der Bleulerschen Kunstmanufaktur, eine kleine Ausstellung mit lediglich 21 Blättern gegeben, deren Intention die Beschreibung des künstlerischen Umfelds Bleulers war.

Blick auf den Rheinfall bei Schaffhausen. Rechts daneben, hoch über dem Rhein, Schloss Laufen in dem der Sitz des Bleulerschen Kunstverlags war, in dem Jakob Eggli seine malerische Ausbildung erhielt. Gouache über Lithografie von Jakob Eggli um 1850
Blick auf Ulm von Westen um 1853, vom Galgenberg aus. Im Vordergrund eine Militärparade, deren Zuschauer und weitläufige Bauten der wenige Jahre zuvor errichteten Bundesfestung. Auf der Donaubrücke eine Eisenbahn mit Dampflokomotive. Das Münster ist noch in mittelalterlichem Bauzustand ohne Strebebögen und die Turmerhöhung. Gouache von Jakob Eggli 1853 ---------------------- Beide Ansichten aus der Sammlung der Zentralbibliothek Zürich.

Die Bilder sind detailreich, nahe an fotografischer Genauigkeit, allerdings nur bei den zentralen Bildthemen. Die Kolorierung ist kräftig, leuchtend und erinnert mitunter an Hinterglasmalerei. Egglis Blätter haben, wie auch die Bilder der Hinterglasmaler, trotz aller Kunstfertigkeit des Malers, stets einen Anklang naiven Gepräges. Üppiges Grün beherrscht die Landschaft im Vordergrund, ergänzt durch eine in spätbarocker Tradition stehende Staffierung durch Baum- und Strauchwerk. Häufig finden sich große Randbäume als seitliche Begrenzung und damit Tiefe schaffende Silhouettenarchitektur. Optisch beherrscht werden viele Blätter durch einen mächtigen, oft die ganze obere Bildhälfte einnehmenden Himmel, der sich ausgehend von einem seitlichen, hellrosa oder hellgelben Horizont zu einem kräftigen Blau aufbaut. Überraschend dabei ist das weitgehende Fehlen einer sonst Beeindruckung gebenden Wolkenarchitektur, es finden sich allenfalls zarte schmale Schleier, die Morgen- oder Abendstimmung andeuten, obwohl es doch hellster Tag ist, und zudem ist es auf Egglis Ansichten immer Sommer und bestes Wetter. Das zentrale Bildsubjekt, die Gebäudeansicht nimmt nur wenig Fläche ein und erfüllt trotzdem die Anforderungen der Käufer. Die immer von einem erhöhten Standpunkt aus gezeichneten Ansichten beeindrucken durch Farbigkeit, Vielfalt und dem Eindruck einer natürlichen Genauigkeit.

Die Veduten erscheinen als kunstvolle, detailreiche Einzelanfertigungen, geben dies jedoch häufig nur vor, denn Egglis Manufaktur ist geprägt von frühindustriellen Einflüssen, vor allem von einer seriellen Produktionstechnik. Vielen seiner Bilder liegt eine lithografisch erstellte Vorlage zugrunde Jochen Hesse gibt in seiner Dokumentation etwa 80 Lithografien und 180 Unikate im Werk Egglis an. Da die Vorlagen kräftig mit deckenden Gouachefarben aus- und übergemalt wurden sind die Vorlagen kaum zu erkennen. Die Zahl der übermalten Vorlagen dürfte, weil wohl auch gerahmte, schlecht untersuchbare Exemplare vorlagen, vermutlich nach oben zu korrigieren sein.
Eggli hat auf seinen Wanderreisen vor Ort die Ansichten gezeichnet und erst nach seiner Rückkehr in Wyden lithografisch vervielfältigt. Die Auflagen dürften, abhängig von der erwarteten Verkaufsaussicht, sicher unterschiedlich und zumeist recht niedrig gewesen sein. Glücklicherweise haben sich unkolorierte Vorlagen erhalten, u.a. von den Stadtansichten Bad Waldsee und Laupheim.

Eggli konnte seine Lithografien bei späteren Bestellungen auch nach den Wünschen der Käufer variieren, die Bäume im Vordergrund konnten getauscht, die jahreszeitliche Stimmung konnte ohne Zusatzaufwand leicht von „frühsommerlich“ in „herbstlich“ geändert werden. Blätter die auf den gleichen Vorlagen koloriert wurden, können so recht unterschiedlich aussehen.

Eine der seltenen lithografischen Vorlagen Egglis zeigt die Ansicht der Stadt Laupheim. Dargestellt sind vor allem die vorhandenen Gebäude, zudem auch ein Teil der Staffage des Vordergrunds, eine Schafherde und ein pflügendes Gespann. Die Lithografie auf Papier ist auf der Rückseite mit einer gouachierten Stadtansicht von Schaffhausen versehen, was zeigt, dass Eggli die zuviel produzierten Lithografien bei anderen Bestellungen aufbrauchte.  

Das Blatt stammt aus der Graphischen Sammlung der Zentralbibliothek Zürich. Ein koloriertes Exemplar der Laupheimer Ansicht befindet sich im Laupheimer Museum zur Geschichte der Christen und Juden im Schloss Großlaupheim.

Eggli heute

Egglis seltene Ansichten sind wegen ihrer Detailtreue und der dekorativen Kolorierung bei Sammlern seit jeher sehr gesucht und deshalb teuer. Die Kunstgeschichte dagegen hat ihn lange vergessen, insbesondere in seiner Heimat, der Schweiz. Er wird hier kaum als eigenständiger Künstler beachtet, vielmehr wird er als spätes und wenig herausragendes Mitglied der Bleulerschen Malschule angesehen. Seine Schweizer Ansichten gehen in den zahlreichen Ansichten seiner Bleulerschen Malerkollegen unter. Ganz anders ist die Situation in Oberschwaben. Seine Ansichten sind hier auf weiter Flur konkurrenzlos und gehören in vielen Orten zu den frühesten und detailgetreuesten Ansichten die es gibt. Beispielhaft kann hier die erste Ansicht des Ulmer Bahnhofs angeführt werden. Egglis Ansichten gehören in Schwaben zum schönsten Bildschmuck von vielen orts- und lokalgeschichtlichen Veröffentlichungen und sind dadurch dem an Veduten interessierten Publikum bestens bekannt und geschätzt.

Erst in neuester Zeit wird ihm , auch in der Schweiz, wieder mehr Beachtung geschenkt, Ausdruck findet dies in der ersten großen Einzelausstellung von Jakob Eggli, die am 6.8.2023 im Museum im Kornhaus der Stadt Bad Waldsee eröffnet wurde. Die von Dr. Uwe Degreif kuratierte und sehr sehenswerte Ausstellung war dort bis zum 3. Oktober 2023 zu sehen und zeigte zahlreiche originale Eggli-Ansichten, viele davon aus Privatbesitz und damit ansonsten nicht allgemein zugänglich. Begleitend zur Ausstellung ist eine preiswerte, großformatige Broschüre mit zahlreichen Farbabbildungen erschienen, deren Kauf wirklich empfehlenswert ist. Wer die Ausstellung in Bad Waldsee versäumt, hatte vom 22. Oktober bis zum 7. Januar 2024 im Museum der Stadt Ehingen Gelegenheit das Versäumte nachzuholen.
Beide Ausstellungen sind auf ein überwältigendes Publikumsinteresse gestoßen. Die Besucher waren begeistert von der Detailtreue der dargestellten Baulichkeiten, der bis heute zumeist erhaltenen, an Hinterglasbilder erinnernden  Farbigkeit der Landschaften und des Himmels und der malerischen Qualität, insbesondere auch die der üppigen und oft vatiierten  Staffagen. 
Es ist damit dem Kurator Dr. Uwe Degreif und den verantwortlichen Veranstaltern der Museen in Bad Waldsee und in Ehingen gelungen einen bislang im Schatten stehenden Künstler ins Licht des Öffentlichkeitsinteresses  zu stellen. Dass dies mit Hilfe der schwäbischen Ansichten gelungen ist, die etwa 20% des uns bekannten malerischen Werks Egglis ausmachen, darf uns hier in Schwaben ganz besonders freuen.

Ahnentafel der Familie Eggli aus Uhwiesen bei Schaffhausen.

Vorfahren- und Nachfahrentafel (mit Geschwistern) von Jakob Egglis Bruder Bernard Eggli. Die hier stark verkleinerte Tafel lässt sich auf dem Bildschirm problemlos bis zur Lesbarkeit aufziehen.

Die Informationen zum Text dieser Seite verdanke ich vor allem dem Aufsatz von Jochen Hesse in den Schaffhauser Beiträgen zur Geschichte Band 95 und den Ausführungen von Uwe Degreif bei seiner Einführung zur Ausstellungseröffnung in Bad Waldsee und bei seinen Ausstellungsführungen.                                                                                                       Die Ahnentafel habe ich auf den frei einsehbaren Internetseiten der Mormonen (familysearch.org) aus den  Kirchenbuchdaten erstellt.

Literatur-/Quellenhinweise:

Hesse, Jochen (2023)   Jakob Eggli (1812–1880) – ein Wandermaler aus dem Zürcher Weinland in: Schaffhauser Beiträge zur Geschichte  Bd 95 (2023)  9-52               Herausgegeben vom Historischen Verein des Kantons Schaffhausen    ISBN 978-3-0340-1737-4   ISSN 0259-3599

Die Suche nach „Jakob Eggli“ auf der Internetseite der Zentralbibliothek Zürich ergibt derzeit 109 Ergebnisse, die unter folgendem Link einsehbar sind:

https://uzb.swisscovery.slsp.ch/discovery/search?query=any,contains,jakob%20eggli&tab=41SLSP_UZB_DN&search_scope=DiscoveryNetwork&vid=41SLSP_UZB:UZB

Zwei letzte Impressionen nach einer erfolgreichen Ausstellung

Museumsleiter Ludwig Ohngemach (rechts) und der Kurator Uwe Degreif (links) nach seiner letzten Führung im Gespräch, sichtlich zufrieden mit dem großen Erfolg der Eggli Ausstellung in Bad Waldsee und in Ehingen.
Ganz zum Schluss noch ein letzter Blich kurz vor dem Abbau der Ehinger Ausstellung. Man sieht die zwei Ansichten von Schloss und Stadt IIllertissen in ihren sehr unterschiedlichen Erhaltungszuständen und ganz rechts Schloss Oberstadion aus der Ferne.