Blick vom Hof meines Ururgroßvaters Thomas Bidmon, Nr. 154 in Vierhöf über die von seinem Sohn Franz Bidmon gebaute Schule (links in Bildmitte), hin zum Unterschönbrunner Friedhof und zum Haus Nr. 125 meines Urgroßvaters Anton Kukla. Rechts daneben, hinter den Bäumen liegt der Hof Nr. 123 meines Großvaters Theodor Bidmon. In diesem Haus wurde 1920 mein Vater geboren, der 1945 gewaltsam von dort vertrieben wurde und seine Schönbrunner Heimat nie mehr gesehen hat.

Historische Betrachtungen zum Dorf Schönbrunn und der ehemaligen böhmischen Herrschaft Bistrau

                                             Pulcherfons                    Jedlová u Policky                         Schönbrunn

Drei Namen, drei Zeiten, ein Dorf. Die frühere Heimat meiner Familie, die Heimat der großen Sippe aller, die den Namen „Bidmon“ tragen.

Wer hat es gegründet? Wann ist es entstanden und was ist alles im Lauf von vielen Jahrhunderten hier geschehen?

In den vorgeschichtlichen Zeiten konnten sich die wenigen Menschen ihre Siedlungsstellen aussuchen und wählten die günstigsten Plätze, fruchtbar und klimatisch begünstigt. Da wir Bodenfunde dieser Frühzeit fast nur im Müglitzer Gebiet an der March finden, können wir schließen, dass die waldigen böhmisch-mährischen Höhen weitestgehend unbewohnt waren.

Schauen wir zunächst auf das Land, die Landschaft in der es liegt. Seit jeher war alles ein riesiger Wald, in dessen Mitte die Grenze von zwei Reichen lag, Mähren im Osten und Böhmen im Westen. Der Wald trennte sie und schützte sie damit vor einander, denn er war fast undurchdringlich, zumindest für eine größere Menschengruppe, wie ein Heer. Schutz benötigte vor allem Böhmen, vor den Einfällen fremder Eroberer aus Ungarn und dem fernen Osten, weshalb die böhmische  Seite des Grenzwaldes durch eine besondere Bearbeitung, die sogenannte Přeseka, verstärkt gesichert wurde.  Nur zwei Wege, eher Pfade, führten von Mähren nach Böhmen durch diesen Wald, im Süden über Iglau und Deutsch Brod, im Norden über Leitomischl nach Prag. Wir wissen von diesen Wegen aus Urkunden der Zeit, da die einträglichen Mauteinnahmen an den Grenzen zum Teil kirchlichen Neugründungen vermacht wurden. Letzterer Weg verlief von Leitomischl über das namengebende Trstenize, die Mautstation an der Grenze lag in der Nähe von Karlsbrunn. Der genaue weitere Verlauf wird unterschiedlich diskutiert, entweder über Rothmühl und entlang der Svitava nach Süden, oder mehr westlich über Dittersbach und Svojanov. Später musste der Weg seinen Verlauf ändern und über die neu gegründete Stadt Policka gehen. Das Gebiet des heutigen Schönbrunn lag also nahe an dieser wichtigen Handelsverbindung.

Das mährische Reich wurde im zehnten Jahrhundert von eindringenden Ungarn völlig zerstört, kam anschließend unter böhmische Herrschaft, wurde von Polen besetzt und von Böhmen wieder zurück erobert und seither vom böhmischen Herrschergeschlecht der Premysliden regiert. Zunächst blieben die Verhältnisse des Grenzwaldes unverändert, obwohl er als Schutzwald zunehmend überflüssig wurde; die beschützenden, rodungsfeindlichen Bestimmungen verloren ihre Bedeutung und entfielen, womit die planmäßige Besiedlung des Gebietes in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ermöglicht wurde.

Doch wodurch entstand diese mächtige Besiedlungswelle die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu einer völligen Umgestaltung des Landes führte?

Es waren Vorhaben der Landesherren, der mährischen Großfürsten und der böhmischen Könige, die damit die personelle und wirtschaftliche Basis ihrer Länder stärken und gleichzeitig eine aktivere Sicherung ihrer Außengrenzen anstrebten.

Im Osten, in Nordmähren war es das Bistum Olmütz mit seinen Bischöfen, insbesondere dem 1245 ernannten Bruno von Schauenburg, dem wohl erfolgreichsten Kolonisator der Region, von dessen Wirken bis heute im Zwittauer Gebiet, bis hinunter nach Brüsau zahlreiche Neugründungen zeugen. Auf böhmischer Seite gehörte das Land dem Kloster und späteren Bistum Leitomischl. Schon 981 wird es erwähnt, Ende des 11. Jahrhunderts wird hier durch König Wratislav ein Benediktinerkloster gegründet, das später von Prämonstratensern übernommen wird.

Angetrieben durch die zunehmende Bevölkerung Innerböhmens und den dadurch entstandenen erhöhten Siedlungsdruck, ließen die Mönche schon kurz nach dem Jahr 1200 westlich von Leitomischl neue tschechische Dörfer anlegen, heran bis an den Rand des Grenzwaldes. Erst nachdem der Streit um die Besitzgrenzen zwischen dem Kloster Leitomischl und dem Olmützer Bischof 1256 endgültig geklärt wurde begann auch hier, aber jetzt im Grenzwald, die planmäßige Neuanlage der typischen Dorfanlagen mit deutsch sprechenden Siedlern, so Abtsdorf, Karlsbrunn, Blumenau und viele mehr. Den südöstlichen Teil des klösterlichen Landbesitzes hatte Leitomischl Mitte des 13. Jahrhunderts an die böhmische Krone verloren, die es durch Hermann und Immram, zwei Mittelsmänner aus der Familie Pernstein, gewaltsam enteignen ließ. In diesem Teil lag die alte Grenzfestung Fürstenberg bei Sjowanov, aber auch das Gebiet auf dem später Schönbrunn entstand. König Ottokar II hatte in dieser Region wohl eigene Pläne, gründete er doch schon 1265 die nahegelegene Stadt Policka. Die Gründung einer Stadt konnte niemals eine isolierte Maßnahme sein, zu ihrer Lebensfähigkeit benötigte sie dörfliches Umfeld. Stadt und umgebendes Land bildeten eine symbiotische Lebenseinheit.

Ansicht der Stadt Policzka von Südwesten, Lithographie von Klimsch 1833
Das große Rathaus und die prächtige Mariensäule der Stadt Policzka, Lithographie von Klimsch 1833

 

Über die Gründung Polickas sind wir gut unterrichtet, da sich die Gründungsurkunde erhalten hat, die genauen Umstände der Dorfgründungen liegen, außer von Laubendorf, dessen Grünungsurkunde ebenfalls erhalten ist, im Dunkeln. Wir können jedoch von der in allen Dörfern gleichförmig vorliegenden Siedlungsstruktur der Waldhufendörfer, mit ihren an einer Dorfstraße beidseitig aufgereihten Bauernhöfen, deren zugehörige Felder – bei allen etwa gleich groß – sich streifenförmig hinziehen, hinauf bis zu den umgebenden Höhen, auf denen sich die für Heizung und Bauzwecke benötigten Waldflächen verblieben sind, schließen, dass die in den erhaltenen Gründungsurkunden der Großregion gemachten Vorgaben auch im Bereich der Umgebung Polickas  Grundlage der Kolonisation waren.  Auch die Organisationsstruktur von gleichgestellten Bauern unter der Führung eines mit erblichen Sonderrechten ausgestatteten, großbäuerlichen Erbrichters ist überall vorhanden.

Luftaufnahme von Oberschönbrunn aus den 1950er Jahren. Man erkennt gut die streifenförmigen Hofgrundstücke der einzelnen Bauernhöfe, die sich vom Hof weg auf die Höhe ziehen. Diese Einteilung wurde bei der Landnahme im 13. Jahrhundert so vorgenommen und hatte sich seither über 750 Jahre unverändert erhalten. Die großen Vierkanthöfe wurden mit einigem Abstand zur Dorfstraße gebaut, der zwischen ihnen liegende Bereich an der Straße war bestimmt für Kleinhäusler und Handwerker. Man sieht, dass sich dieser Bereich zwischenzeitlich stark gefüllt hat, während im Bereich der Bauernhöfe keine nennenswerte Veränderung eingetreten ist.

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Wir haben, außer der Gründungsurkunde von Laubendorf, keinerlei Quellen aus der Frühzeit der von der Burg Swojanow ausgehenden Kolonisation. Die ersten Urkunden in denen Schönbrunn und viele andere Gemeinden der Umgebung  aufgeführt werden, stammen erst aus den Jahren 1349 und 1350. Damals wurden dem neu entstandenen Bistum Leitomischl Gebiete aus der Diözese Prag übertragen, so auch die Gemeinden des Dekanates Politschka. Somit lässt sich auch kaum aufklären, ob Ober- und Unterschönbrunn zusammen gegründet wurden, oder ob, wie es Hans Federsel in seiner 1976 erschienenen Chronik Schönbrunns vermutet, Unterschönbrunn erst später entstanden ist. Er begründet seine Vermutung durch eine auffallende bauliche Lücke zwischen beiden Ortsteilen. Dies ist m.E. nicht schlüssig, da gerade hier der größte Teil der ebenen Landwirtschaftsflächen und darin auch das Schönbrunner Erbgericht liegt. Ohne Unterschönbrunn wäre dies in einer ungewöhnlichen Randlage errichtet worden.

Eine weitere Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die Entstehung Vierhöfens. Die Sonderstellung dieses Weilers, trotz des räumlichen Verbund in der Gemeinde Schönbrunn, manifestiert sich in vielfacher Hinsicht, so in der unterschiedlichen kirchlichen Zuordnung, eigenen Kirchenbüchern und unterschiedlicher Zuweisung bei der Teilung der Swojanower Herrschaft 1557. So kam damals Vierhöfen zum Laubendorfer Teil, während Schönbrunn dem Kurauer Teil zugeschlagen wurde. Von einem können wir jedoch sicher ausgehen, dass die Existenz Vierhöfens im Zusammenhang mit der Diözese Leitomischl steht. Dies können wir aus den auffälligen Hausnamen der Vierhöfener Bauernhöfe Nr. 156 = Oberer Bischof und 159 = Niederer Bischof schließen. Johann Pachowsky vermutet in seiner Vierhöfener Häuserchronik, dass der Bischof hier auf noch unbesiedeltem Land einen Meierhof anlegen ließ, der später in vier Höfe geteilt wurde. Dies erscheint aber wenig schlüssig, da diese Höfe organisatorisch in das Dorf Schönbrunn, das damals schon etwa 70 Jahre bestanden hat, eingegliedert worden wären. Es drängt sich die Vermutung auf, dass die Verbindung Vierhöfens zum Bistum Leitomischl schon aus der Zeit stammt, in der das Kloster Leitomischl, aus dem das Bistum hervorging, Besitzer dieser Region war. Wann es in dessen Besitz kam ist nicht bekannt, urkundlich bestätigt wurde der Besitz schon 1167. Verloren hat es ihn, wie oben schon erwähnt, vor der Thronbesteigung König Ottokars II, die 1253 stattfand.  Vielleicht war schon vor der Gründung Schönbrunns an der Stelle Vierhöfens ein Viehhof des Klosters, der der Versorgung der hier im Auftrag des Klosters tätigen Untertanen diente.