Wer auch immer vom Schwäbischen Krippenparadies spricht, spricht immer auch von Ludwig Vogele.

Diese wunderschöne Hirtenfigur, erfüllt von Anmut und andächtiger Bewunderung, lebensecht wirkend in ihrer durchscheinenden, zarten Bemalung, schmückte 1983 die Titelseite des "Bayerischen Krippenfreunds", geschnitzt und bemalt hat sie der Ichenhauser Bildhauer, Krippenschnitzer und Ausbilder zahlreicher Laienschnitzer Ludwig Vogele. Auf einem Plakat lud sie damals auch werbeträchtig ein eine große Krippenausstellung in Illertissen zu besuchen.

Ludwig  Vogele 

1908 – 2000

Herkunft und Jugend

Am 22. Februar 1908 wurde der Familie Vogele  in Ettenbeuren, einem kleinen Dorf etwa 4 km östlich von Ichenhausen gelegen, ein Sohn geboren, der den Namen Ludwig erhielt. Da die Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten damals noch sehr eingeschränkt waren, lebte man in den Dörfern recht abgeschieden und war ganz auf die dörfliche Gemeinschaft ausgerichtet. Man lebte miteinander, die Kinder wuchsen, geleitet von alten Werten,  zusammen auf, die Welt da draußen war fern. Der Lauf des Jahres, die wechselnden Jahreszeiten, die althergebrachten Feste und Feiern gaben dem Alltagsleben einen festen Rahmen. Während Frühjahr, Sommer und Herbst körperlich schwerer Arbeit gehörten, war der Winter eine Zeit der Ruhe, der Erholung und Besinnung. Er ließ auch Zeit für Kreatives und Schöpferisches. In solchen Ruhestunden entstand aus tiefstem inneren Bedürfnis eine Volkskultur, die uns heute begeistert und in ihren Bann zieht. Es ist nicht der Stress, der heute den Menschen antreibt, es war die innere Ruhe die damals den Menschen Leistungsfähigkeit verlieh.

Zwei der Vogele-Schüler des legendären Schnitzkurses des Jahres 1983 in Waldstetten
Ettenbeuren von Westen

Von den ersten Schnitzversuche in Ettenbeuren zur bildhauerischen Ausbildung

Das Weihnachtsbrauchtum  stand ganz an der Spitze des dörflichen Volkslebens. Eine Beschäftigung zog schon die Buben magisch an, der Krippenbau und als Krönung jedes Krippenlebens das Schnitzen eigener Figuren. Die Geburt, Josef, Maria und das Kind in der Krippe, Ochs und Esel, die Verkündigung, ein himmlischer Engel und die erschreckten Hirten, viele Schafe bildeten den heimatlichen Kern des Geschehens, ein prächtiger Königszug brachte den exotischen Glanz in den dörflichen Alltag.                                                                                                                                                                                                                                      Die Ettenbeurer Jugend traf sich im Gasthaus Schweimeier um in gemeinsamer Anstrengung den Traum einer eigenen geschnitzen Krippe wahrzumachen. 

So prächtig herausgeputzt wie auf dem Bild oben rechts, steht das Schweimeiersche Anwesen seit etwa 30 Jahren an der Ettenbeurer Dorfstraße, Gasthaus ist es seither nicht mehr. Zuvor war es bescheidener, schwäbischer, verputzt und in seiner Gänze erhalten, alles unter einem mächtigen Dach.
Von Fritz Luible in Ettenbeuren, einem der Schnitzlehrer des jungen Ludwig Vogele, stammt diese Gruppe des zwölfjährigen Jesus im Tempel aus der Sammlung des Heimatmuseums Krumbach

Die unter der Anleitung von Markus Schweimeier und Fritz Luible in der Gaststube entstanden Figuren zeigten die Begabung der Jungschnitzer, unter denen besonders der kleine Ludwig Vogele herausstach. Dies fiel auch dem Ichenhauser Arzt Dr. Herrligkoffer auf, zu dessen Praxisbereich auch die vielen kleinen Dörfer in der Umgebung gehörten. Er schaffte es Ludwigs Eltern zu überzeugen, ihn nicht wie vorgesehen als Müller ausbilden zu lassen. Ludwig durfte die von ihm in der Hammerstettener Mühle bereits begonnene Müllerlehre abbrechen um eine von Dr. Herrligkoffer aufgetane Lehrstelle beim Bildhauer Brenner in Günzburg zu beginnen. Der aus Schönhardt bei Schwäbisch Gmünd stammende Brenner (1881 – 1952) war seit 1905 in Günzburg und betrieb eine Bildhauerwerkstatt, deren Arbeiten in den Kirchen der Gegend noch nachweisbar sind. Neben Ludwig Vogele hat er noch weitere Lehrlinge aus der Gegend ausgebildet, so Josef Startek aus Oxenbronn und Josef Thalhofer aus Krumbach, die beide auch Krippen geschnitzt haben.

Krippenfiguren des Brenner Schülers Josef Thalhofer aus Krumbach, zu sehen beim Krippenschauen 2023/24 im Heimatmuseum Krumbach

Nach seinem Lehrabschluss vermittelte Pfarrer Ostheimer Ludwig Vogele eine Stelle bei dem damals sehr bekannten Münchner Bildhauer Prof. Karl Baur (1881 – 1961). Der in München geborene, ausgebildete, tätige und gestorbene Baur war nach seiner Bildhauerausbildung an der Akademie der Bildenden Künste als selbständiger Bildhauer tätig. Seine Arbeiten finden sich in ganz Deutschland. Häufig war er an der bildhauerischen Ausstattung von Kirchen beteiligt, die vom Augsburger Architekten Prof. Michael Kurz gestaltet wurden. Zumeist waren es düstere, schwer und starr wirkende, neuromanische Klinkerbauten. Als Vogele zu Karl Baur kam, war dieser in Augsburg mit Arbeiten an St. Anton und St. Josef betraut. Insbesondere in St. Anton hat Baur im Jahrzehnt von 1925 – 1935 einen Großteil der bildhauerischen Ausstattung geschaffen. Es gab also auch für seine Gesellen viel zu tun.

Doch die beglückende Zeit als Gehilfe eines der bekanntesten Bildhauers Deutschlands, somit an vorderster künstlerischer Front, ging dem Ende zu. Es folgten neun lange und schwerste Jahre im Krieg und in russischer Gefangenschaft. Auch in diesen Zeiten der Not hat ihm das Schnitzen geholfen zu überleben. Durch das Schnitzen von Schachfiguren für das Wachpersonal konnte er so manches Stück Brot eintauschen, das wertvollste Gut um dem russischen Winter bei Schwerstarbeit widerstehen zu können.

Eigene Werkstatt als Bildhauer in Ichenhausen

Erst nach seiner Rückkehr konnte er sich daran machen eine eigene Werkstatt in seiner schwäbischen Heimat aufzubauen. Als Basis dafür hatte er den Betrieb des Geweihmöbelfabrikanten Vitus Madel in der Ichenhauser Bahnhofstraße übernommen.

In diesem Haus lebte Ludwig Vogele mit seiner Familie bis zu seinem Tod. Die Werkstatt lag im Untergeschoss, das zur südlichen Gartenseite hin frei stand, um seine Arbeitsräume mit dem notwendigen Licht zu versorgen.

Das Ehepaar Luise und Ludwig Vogele 1997

Doch die Zeit war für einen Bildhauer nicht leicht, das Geld benötigten die Menschen für vieles andere, Nahrungsmittel, Unterkunft und Arbeitsgeräte gingen vor. Zum Glück für die Familie konnte seine Frau Luise als Damenschneiderin die Familie in diesen wirtschaftlich schweren Zeiten unterstützen. Doch die Zeiten besserten sich zunehmend, es gab wieder mehr kirchliche Aufträge, auch die Produktion von Kruzifixen sicherte das Einkommen und das anstrengende Schnitzen von Krippenfiguren brachte ein sicheres Zubrot. In dieser Zeit, den Jahren seiner besten Leistungsfähigkeit, entstanden viele wunderschöne Krippenfiguren, die trotz ihrer geringen Größe von 8 bis 10 cm lebensecht wirken, Natürlichkeit ausstrahlen und in Gestalt und Haltung perfekt gebildet sind.

Seine Wirkung für uns und die Zukunft

Die Krippe stand seit seiner Jugend immer im Zentrum seines Interesses, nicht nur als Broterwerb. Er war engagiert im Krippenverein und gab sein Wissen und seine Fähigkeiten weiter an viele Interessierte, an Krippenfreunde aus nah und fern  ( siehe auch: https://bidmon.com/schnitzer/ ).                                                                                                  Zunehmende Probleme mit seiner nachlassenden Sehkraft zwangen ihn in den 1990er Jahren seine Schnitzarbeit mehr und mehr einzuschränken und seine Schnitzwerkzeuge ruhen zu lassen. Endgültig zur Seite gelegt hat er sie erst mit seinem Tod am 3. August 2000.

Heute ruht er mit seiner Frau Luise  auf dem Ichenhauser Friedhof in diesem von seinen Kindern wunderschön gestalteten Grab. Im Mittelpunkt steht auch hier, wie in der Krippe und auch immer in seinem Leben, die Familie.

Eine große Schar seiner Schüler trägt seine Arbeit für und an der Krippe weiter und so stehen in vielen schwäbischen Krippen Figuren die sein Andenken weitertragen, auch wenn er sie nicht selbst geschnitzt hat.

Wer ihn nicht kannte und sich ein Bild von Ludwig Vogele machen möchte, kann dies ganz einfach in seinen Krippen tun, denn die meisten Figuren darin sind, wie auch der unter gezeigte Hirte mit Schaf, ein Selbstbildnis von ihm.

Was uns bleibt -- seine Krippen, seine Figuren, sein Vorbild

Oben: Ein Hirte mit Schaf aus der Sammlung des Heimatmuseums Krumbach. Rechts: Hirtenanbetung mit einer ziehenden Schafherde vor dem dem Stall in der Kirchenkrippe Wettenhausen.

Einige Bilder von frühen Arbeiten Ludwig Vogeles mögen die hohe außergewöhnliche Qualität seiner Figuren aufzeigen. Aus der Kirchenkrippe Ichenhausens, die ihm besonders am Herzen lag, die Geburtsszene mit Anbetung der Hirten und Könige (oben) und das Hirtenfeld mir einer ziehenden Herde (links). Aus der Krankenhauskrippe in Ichenhausen eine Brunnenszene mit beeindruckender Ausdruckskraft (unten) und darunter die heilige Familie mit einer jugendlichen Maria, deren bescheidene Anmut einzigartig ist.

Es dürfte damit für jeden klar sein, wer auch immer vom schwäbischen Krippenparadies spricht, spricht immer auch von Ludwig Vogele.

Sechs frühe Arbeiten Ludwig Vogeles aus der Staudacher-Krippe in Wettenhausen. Oben und rechts die drei Hirten einer außerordentlich beeindruckenden Hirtenverkündigung. Anna Staudacher, die als Putzfrau im Kloster arbeitete hat die Krippe um 1960 in Auftrag gegeben und sie Jahr für Jahr von ihrem schmalen Einkommen erweitert. In der unteren Reihe von links ein anbetender Hirte mit Hund, ein Schäfer und ein ausdrucksstarker Josef